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Die Dame
selbst war eine eher unscheinbare Frau. Sie war schmal gebaut und
trug nur schlichte Kleidung, wie es alte Damen meist zu tun pflegen.
Ihr Gesicht war ebenso schmal und wirkte grau, genau wie ihre dünnen
Haare, die sie meist zu einem Knoten hochband. Ihr Alter ließ sich
schwer schätzen, aber man sah ihr an, dass sie Rentnerin war und die
besten Zeiten bereits erlebt hatte.
Insgesamt
wirkte sie also wie jede Frau ihres Alters und niemand wusste
Genaueres über sie, aber sie interessierte auch niemanden.
Morgens in
der Frühe stand sie stets auf und ging, ohne sich umzuziehen oder
ihre Haare zu bändigen, in die Küche. An der Wand summten Fliegen
ihren Morgengesang und ein paar Ameisen zogen ihre Bahnen über den
kalten Boden. Ihre Wohnung schien die Tiere mehr anzuziehen als die
anderen Wohnungen des Hauses. Aber es machte ihr nichts aus.
Sie öffnete
jeden Morgen das Küchenfenster und ließ die kühle abgasverseuchte
Luft in den Raum. Dann blickte sie hinunter in den leeren Hof und
nach wenigen Minuten erschien eine Krähe am grauen Himmel, die ihre
Kreise zog und sich schließlich dem Fenster näherte. Es dauerte
meist nicht lange, bis sie sich auf der Fensterbank niederließ, ihr
schwarzes Gefieder schüttelte und krächzte. Dann nahm die Dame eins
der Einmachgläser aus dem Schrank und legte der Krähe Haferflocken
neben die rauen Krallen, welche sie sogleich dankbar aufpickte.
Manchmal kamen noch ein paar Krähen mehr hinzu und labten sich an
diesem Frühstück. Wenn sie alle wieder weggeflogen waren, schloss
die Dame mit einiger Kraftanstrengung das Fenster und ging ins
Badezimmer.
Sie war eine
eher schwache Frau, was auf ihren schmalen Körper zurückging, der
seine größte Kraft bereits verloren hatte. Dafür war sie gesund
wie fast niemand in ihrem Alter. Sie hatte starke Knochen, eine gute,
wenig fleckige Haut und brauchte weder Brille noch Hörgerät. Ihre
Sinne waren noch scharf wie damals.
Nur ab und
zu, in regelmäßigen Abständen, überfielen sie plötzliche
Schmerzen, so stark, dass sie sich kaum sicher durch ihre Wohnung
bewegen konnte. Dann wusste sie, dass es wieder an der Zeit war.
LG,
RB ;)
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